DV-Vorgaben und Aktenlage bei der Baureihe 64
Von der ersten Konzeption einer 1' C 1' - h 2 Lokomotive im Jahre 1922 bis zur letzten Ausmusterung im Osten Deutschlands 1975 [7] vergingen 53 Jahre über mehrere Staaten und Eisenbahnunternehmen hinweg. Dass über einen so langen Zeitraum auch technischen Änderungen und Verbesserungen erzielt wurden, verwundert daher nicht. Ein ganz markantes und für fast jede Dampflok wichtigstes Bauteil ist die Kolbenspeisepumpe. Diese soll hier anhand der Baureihe 64 beleuchtet werden.
Gemäß der Baureihen-Beschreibung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft von 1928 [1] beträgt die ganze Verdampfungsheizfläche feuerberührt 104,4 m² und die Heizfläche des Abdampfvorwärmers (Regelbauart) 13 m². Ferner gibt die Baureihen-Beschreibung [2] eine Kolbenspeisepumpe von 250 l/min Fördermenge der Bauart Nielebock-Knorr in Verbindung mit einem Abdampfvorwärmer von 13 m² Heizfläche der Regelbauart vor:
Auszug aus der DV 930.08 aus dem Jahre 1928. Sammlung R. Winkler.
Grundlagen
Für die Ausarbeitung standen mehrere Betriebsbuchauszüge bzw. – kopien sowie weit über 3.000 Fotografien zur Verfügung. Kriegswirren und daraus resultierend fehlende Fotografien bei einzelnen Ordnungsnummern lassen in Teilbereichen nur Annahmen zu. Gleichwohl erlaubt die Datenlage einen „echten" eindeutigen Blick auf den damaligen Ist-Zustand der Loks und belegt, dass die DV 930.08 nicht immer eingehalten wurde bzw. evtl. in späteren Kriegsjahren [3] durch Materialknappheit andere Speisepumpen verbaut wurden, als dies die DV vorsah.
Zeitraum der Betrachtung
Ziel der Ausarbeitung soll es sein, die verwendeten Speisepumpen von der ersten fabrikneuen Maschine bis zur heutigen Museumslok aufzuzeigen. Da dies auch Lokomotiven betrifft, die später in Russland, Polen, Österreich und der Tschechoslowakei verblieben, wird es schwer werden, über diese Maschinen eine Aussage zu treffen. Die Quellenlage bei DRG, DB und auch DR ist deutlich besser.
Mit Ausnahme einzelner Ordnungsnummern mit Friedmann-Injektoren [4] und damit ohne eine Kolbenspeisepumpe waren alle inländischen 64er mit Kolbenspeisepumpen ausgerüstet. Ausländische Bahnverwaltungen werden weiter unten behandelt. Allerdings variierten die verwendeten Pumpen je nach Alter, Bahngesellschaft und verfügbarem Material auf dem Lager. Was das Lager eines jeden AWs oder Bw’s angeht, hat die Baureihe 64 den Vorteil, dass sie aufgrund Ihrer Kesselheizfläche von 107 m² durch Pumpen mit verschiedenen Fördermengen ausgestattet werden kann. So gibt die oben zitierte DV 930.08 zwar 250 l/min Fördermenge vor, aber der Hersteller [5] Knorr-Bremse AG bietet Aggregate mit sowohl 125 als auch 250 Liter Fördermenge an, die beide für die BR 64 geeignet sind.
Folglich kann man in einem Ausbesserungswerk auch eine schwächere KT3-125 einbauen, wenn nur eine solche auf dem Lager liegen sollte.
Grob kann man die verbauten Kolbenspeisepumpen so auflisten:
Kolbenspeisepumpe Nielebock-Knorr bei den ersten Baulosen
Kolbenspeisepumpe Knorr einstufig nach alter Bauart
Verbundspeisepumpe Knorr-Tolkien KT 1 mit 250 l/min Fördermenge
Verbundspeisepumpe Knorr-Tolkien KT 3 mit 125 l/min Fördermenge
Verbundspeisepumpe Knorr-Tolkien KT 1 mit 250 l/min als DB-Neubau-Version mit verschlanktem Druckwindkessel
Verbundspeisepumpe KP4-250 mit 250 l/min Fördermenge des VEB Berliner Bremsenwerk (vorm. Knorr-Bremse) mit P-Steuerung
Schauen wir uns nun im Einzelnen an, welche Pumpen verwandt wurden:
Kolbenspeisepumpen bei der DB
Kolbenspeisepumpen bei der DR
Kolbenspeisepumpen bei der DRG
Kolbenspeisepumpen bei ausländischen Bahnen
Während die DV 930.08 zweifelsfrei von 250 l/min Fördermenge spricht, zeigen Betriebsbuchauszüge teilweise etwas anderes:
64 111: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe je 125 l/min
(bereits ab 17.10.1928 bei Auslieferung der Lok!)
64 126: Dampfstrahlpumpe Strube und Speisepumpe Nielebock-Knorr je 250 l/min
64 173: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe je 250 l/min
64 208: Dampfstrahlpumpe Hermann Winter und Verbundspeisepumpe je 250 l/min
64 223: Dampfstrahlpumpe Schäffer & Buddenberg und Nielebock-Knorr-Pumpe je 250 l/min
64 343: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe Knorr-Tolkien je 125 l/min
64 353: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 1 je 250 l/min
64 357: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min (siehe unten)
64 358: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min (siehe unten)
64 369: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 399: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe je 250 l/min
64 406: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 467: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 1 je 125 l/min
64 473: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 479: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 511/64 6576: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 514: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
64 515: Dampfstrahlpumpe und Verbundspeisepumpe KT 3 je 125 l/min
- [1] Beschreibung der 1 C1-h2 = Personenzug-Tenderlokomotive (15 t) Reihe 64 der Deutschen Reichsbahn S. 4
- [2] Beschreibung der 1 C1-h2 = Personenzug-Tenderlokomotive (15 t) Reihe 64 der Deutschen Reichsbahn S. 8
- [3] Die Baureihe 64 wurde bis 1940 gebaut.
- [4] Der Friedmann-Injektor war an folgenden Maschinen verbaut: 64 234, 64 238, 64 243, 64 252, 64 254. Ebenso hatte die 64 311 (die einzige ÖBB-Lok 64.311) keine Kolbenspeisepumpe.
- [5] Knorr-Bremse AG, Druckschrift 1119 von August 1939 auf S. 5 und S. 17 in Verbindung mit 8,4 m² Heizfläche bei den Oberflächenvorwärmern.
- [6] VEB Berliner Bremsenwerk vorm. Knorr-Bremse, Druckschrift 6500, S. 4
- [7] Peter Melcher, Die Baureihe 64 EK-Verlag: Ausmusterung von 64 282 und 64 455 am 13.06.1975, S. 268